Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Sachverständige für Grundstücksbewertung

Bewertung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen

Die Höhe des vererbten bzw. geschenkten Vermögens wird vom Finanzamt jeweils bezogen auf den Stichtag des Erbfalls bzw. der Schenkung nach dem Bewertungsgesetz (BewG) ermittelt.

Bewertung von Grundbesitz

Bei Grundbesitz ist seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2006, die vom Gesetzgeber mit der Erbschaftsteuerreform seit dem 01.01.2009 umgesetzt wurde, der „gemeine Wert“ einschlägig. Dieser ist in § 9 Abs. 2 BewG folgendermaßen definiert und kommt in vielen Fällen dem Marktwert als fiktiver Verkaufswert nahe:

„Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.“

Das Finanzamt für Körperschaften, welches für die Grundbesitzbewertung zuständig ist, errechnet den gemeinen Wert anhand der Angaben zu Grundstücksgröße, Baujahr des Gebäudes, Ausstattung und Zustand beim Sachwertobjekt bzw. Mieteinnahmen beim Ertragswertobjekt und teilt diesen Steuerwert im so genannten Feststellungsbescheid mit. Aber Achtung: Dieser Bescheid darf nicht rechtskräftig werden, wenn der festgestellte Wert höher ist als der von Ihnen angenommene Verkehrswert. Dann sollte gemäß § 198 BewG ein abweichendes Sachverständigen-Gutachten über den Verkehrswert eingeholt und vorgelegt werden. Das Finanzamt – Erbschaftsteuerstelle – erlässt auf der Grundlage des Feststellungsbescheids in einem weiteren Schritt den Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheid, der die zu zahlende Erbschaftsteuer ausweist.

Es lohnt sich, die Höhe des vom Finanzamt unterstellten Steuerwerts anzugreifen, wenn besondere – wertmindernde – Aspekte bei der Immobilie vorliegen könnten.

Bewertung von Barvermögen und Aktien

Der Wert des aufgrund Erbfalls oder Schenkung erhaltenen Barvermögens und von Aktien und Kapitalanteilen bestimmt sich gemäß §§ 9, 11 BewG nach dem am Stichtag vorhandenen Nennwert. Es ist gerade bei Aktien also vor allem dann Vorsicht anzuraten, wenn eine längere Erbauseinandersetzung im Raum steht und die Aktienkurse zu bröckeln drohen. Denn die steuerliche Bewertung erfolgt ohne Rücksicht auf späteren Kursverfall ausschließlich zum Stichtag Erbfall bzw. Schenkung.

Bewertung von sonstigem Vermögen

Die sonstigen Gegenstände werden mit dem gemeinen Wert bewertet. Bei Kunstgegenständen und Sammlungen ist das Finanzamt aufgrund interner Anweisungen gehalten, unter Berücksichtigung der schwierigen Verwertungsaussichten vorsichtig zu ermitteln. In der Regel wird der gemeine Wert bei diesen Gegenständen niedrig liegen.

Für Wertermittlungen und gegebenenfalls die Verwertung von Kunstgegenständen, Antiquitäten, Sammlungen und werthaltigen Einrichtungsgegenständen arbeiten wir eng mit anerkannten Schätzern zusammen.


Beispiel zur Bewertung im Erbfall

Ein Vater vererbt seinen zwei Töchtern ein Mehrfamilienhaus in München sowie Barvermögen in Höhe von 200.000 €, ein Aktiendepot im Wert von 300.000 € und Bilder mit einem Verkaufswert von 100.000 €. Das Finanzamt unterstellt folgende Werte und berechnet die Erbschaftsteuer wie folgt:

  • Immobilie
  • 1.000.000 €
  • Barvermögen
  • 200.000 €
  • Aktien (bei Erbfall)
  • 300.000 €
  • Bilder
  • 100.000 €
  • Summe Erwerb
  • 1.600.000 €
  • Je Erbin : 2
  • 800.000 €
  • Abzüglich Freibetrag Tochter
  • - 400.000 €
  • Zu versteuernder Erwerb
  • 400.000 €
  • Erbschaftsteuer jeweils 15 %
  • 60.000 €

Die Schwestern können sich nicht einigen, wer was übernehmen soll. Bis zu einer abschließenden Einigung der Erbinnen stürzen die Aktien auf 100.000 € ab. Die Bilder werden in einer Auktion für 100.000 € versteigert. Wären die Erbinnen schneller einig geworden, hätten die Aktien schneller verkauft werden können, um den Verlust der Erbschaftsteuerzahlungen (Differenz jeweils immerhin 27.000 €!!) wenigstens noch teilweise zu kompensieren.